Schlagwort: Assemblagen

  • Interview mit Detlef Weigand – 19.03.2021

    Über welches Projekt sprechen wir heute?

    Angestoßen von Ereignissen um mich herum, arbeite ich eigentlich immer an mehreren Projekten gleichzeitig. In meiner Kunst begegnen sich Umstände, über die man sich ereifern, gegen die man antreten muss, meine wütende Kritik einerseits und mein Vergnügen an Humor und Blödelei andererseits. Beides zusammen begründet letztlich auch Hoffnung auf Veränderung. – Das vom Land Nordrhein-Westfalen geförderte Projekt „Mea Donna“, an dem auch Manuele mitgewirkt hat, ist nach wie vor aktuell und wird auch weitergeführt.

    Gab es von Anfang an ein Ziel?
    Oder wurde der Weg zur wichtigsten Überraschung?

    „Mea Donna“ thematisiert den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche. Die Bilder sind im Grunde verfremdetes pornographisches Material mit dem Hinweis auf das Thema, mit dem sich die Kirche auseinandersetzen muss. Dass wir die Ausstellung in der St.Thomae Kirche in Soest zeigen konnten und dazu noch die volle Unterstützung des Geistlichen bekommen haben, war eine Bestätigung, mit der nicht unbedingt zu rechnen war. Meine Kunst ist keine Wohlfühlkunst. Sie bedient zwar ästhetische Erwartungen auf den ersten Blick, aber nur, um dann umso heftiger Wirkung zu entfalten – ein „smash in the face“! – Umso mehr freut es mich, wenn die Einladung zur Auseinandersetzung aufgenommen wird – durch Ablehnung und Kritik einerseits, durch Anerkennung und Begreifen andererseits. Als Mary Bauermeister mein „Follow the Gottgeruch“ ohne eine Sekunde zu zögern erwarb, es dann dem Wilhelm Hack Museum in Ludwigshafen als Leihgabe übergab, war ich über diese Anerkennung und Aufmerksamkeit sehr erfreut. Solche Wegmarken kann man nicht planen, aber sie sind wichtige Meilensteine auf dem Weg zum Ziel: Lasst euch berühren! Seid angefasst! Setzt euch auseinander!

    Worin liegt die größte persönliche Zufriedenheit auf dem Weg?

    Im kreativen Prozess ist es mir wichtig, mich nicht selbst zu zensieren. Wenn das gelingt, wenn ich mich ganz diesem Schaffen hingeben kann, erlebe ich eine Erweiterung meiner Selbst. Ich kann über mich hinausgehen in einem Maße, das vorher nicht abzusehen war. Das wiederum spüre nicht nur ich, sondern auch der Betrachter – etwa bei dem Bild „Follow the Gottgeruch“. Ich habe beide Hände in zwei Liter leicht geronnenem Ochsenblut gebadet, habe die Madonna zwischen diese blutverschmierten Hände genommen und bin hinsinkend an der Leinwand heruntergerutscht – noch mehr: ich bin beinahe in dieses Bild hineingefallen. Diese Dynamik atmet das ganze Werk aus!

    Natürlich offenbart ein kreativer Prozess die ganze Fülle der Emotionen und Themen, die sich in dem Künstler verbergen. Die „Dadaistische Volkskunst“ ist beispielsweise schon vor Corona entstanden, aber in der letzten Zeit habe ich da noch intensiver gearbeitet. Im Lockdown habe ich mich zu kleineren Formaten hingezogen gefühlt, die eher ein Ausdruck von Spontaneität sind und durchaus eher in Humor enden. So ist eine ganze Reihe von mit Assemblagen verfremdeten Kotztüten von AirBerlin entstanden, die beispielsweise das Drama ums Klopapier thematisieren – und die sich zu meiner größten Zufriedenheit auch in Coronazeiten übers Netz gut verkaufen lassen!

    Was prägt deine Beziehung zu deinem Publikum?

    Meine Kunst will nicht gefallen, sondern fordert Auseinandersetzung! Dabei geht es mir durchaus nicht nur um Krawall oder Provokation – ich will Aufmerksamkeit für ein Thema! Es überrascht mich immer wieder, mit wie viel Emotion das Publikum auf meine Arbeit reagiert. Das reicht von blanker Ablehnung bis hin zu großer Betroffenheit, die im Betrachter oft zutiefst Persönliches auslöst. Meine Assemblagen sind nicht im klassischen Sinne schön, erreichen aber jeden auf eine ganz eigene Weise.  Sie sind wahre Assoziationsschleudern für den Betrachter!

    Gibt es prägende Ereignisse, die Einfluss auf deinen Weg genommen haben?

    Die Zeiten ändern sich, der Weigand bleibt! Wichtig ist es, authentisch zu bleiben. Zeitkritik und Humor bleiben Konstanten, das Format ändert sich. Corona fordert neue Wege von den Kunstschaffenden, damit sie einerseits weiter im kreativen Prozess bleiben und andererseits weiter verkaufen können! So habe ich mich in der letzten Zeit vielfach mit kleinen Formaten beschäftigt.

    ​Und die nächsten Schritte?

    Das begonnene Förderprojekt „Mea Donna“ wird weiter verfolgt. Hier wie bei allen anderen Projekten geht es immer ums Ganze, um existenzielle Themen. Die Menschen sind mir immer ein Rätsel – und ich mir selbst auch! Dadurch gehen mir nie die Themen aus.

    Hier gibt es mehr zu sehen von Detlev Weigand

    detlev.weigand07@web.de

    https://www.facebook.com/detlev.weigand07

    https://www.facebook.com/Oberstaatskuenstler

    https://www.facebook.com/MEA-Donna-127059640753748

  • Interview mit den OberstaatsKünstlern – 19.03.2021

    Manuele Klein und Detlev Weigand

    Der Blick öffnet sich an diesem frostig-klaren Nachmittag ins Tal. Das Atelier Oberstaat lädt ein zum Schauen und Entdecken, nicht nur aus den großen Panoramafenstern, sondern auch auf Skulpturen auf Fenster-bänken und Möbeln, Bildern und Fotoarbeiten in unterschiedlichen Formaten an den Wänden, geschichtet und gestapelt in allen Ecken – Zeugnisse einer unbändigen Schaffenskraft, die auch in publikumsfernen Coronazeiten nicht schwinden will.

    ​In diesem Atelier lebt das Paar – und es belebt diesen Ort eigentlich mit regelmäßigen Einladungen zum Offenen Atelier, in dem sich nicht nur Künstlerinnen und Künstler treffen, sondern auch interessante Gäste aus allen gesellschaftlichen Bereichen wie dem NABU Vorträge halten und zu Diskussionen einladen. Kunst nicht nur um der Kunst Willen, sondern immer auch als Anstoß zur Auseinandersetzung mit aktuellen politischen, umweltpolitischen und religiösen Themen – so lässt sich das Selbstverständnis von Detlev Weigand und Manuele Klein zusammenfassen.

    ​Seit dem letzten Jahr ist dieser öffentliche Diskurs unterbrochen – Corona hat das Leben in einen Stand-by-Modus versetzt. Diese erzwungene Ruhe verschafft einerseits Zeit für die intensive Weiterarbeit an Projekten, fordert andererseits beständige Energie und Disziplin, um den alten Schwung zu erhalten.

    Heute bin ich Gast bei den beiden Künstlern – und schon bald steht fest, dass der Auftritt in einem gemeinsamen Interview dem doch unterschiedlichen Schwerpunkt, den sie setzen wollen, nicht gerecht würde.

    So führen die ersten Schritte zunächst in den Hauptgang einer engagierten, vielfach experimentellen und expressiven Kunst, zweigen dann aber in Räume, in denen sich beide unabhängig voneinander präsentieren.


    Manuele Kleins Werk umfasst Malerei, Fotoarbeiten, Skulpturen, Installationen und Performances. Die vielfach ausgezeichnete Künstlerin erhielt zuletzt den Oberbergischen Kulturförderpreis und arbeitet zur Zeit unter anderem an dem vom Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen unterstützten Projekt NUR N(AT)UR NUR. In Hochzeiten war ihr Schaffen (ihrer beider Schaffen!) in 16 Ausstellungen innerhalb eines Jahres in Museen, Kunstvereinen und Galerien im In-und Ausland zu sehen. Neben eigener künstlerischer Arbeit wirkt sie auch als Galeristin und Kuratorin – etwa bei der großen Ausstellung im Kulturbahnhof Kunst anlässlich der 950-Jahrfeier der Stadt Overath, an der sich national und international bekannte Künstler beteiligten. „Wir schenken der Stadt Overath ein Museum“ – das war ein gemeinsames Projekt mit ihrem künstlerischen Partner und Lebensgefährten …

    Detlev Weigand. Der bildende Künstler und Klangperformer wählt Installationen, Assemblagen und Fotoarbeiten, um immer wieder die Frage nach Sinn und Unsinn der menschlichen Existenz zu stellen. Seine Werke sind in vielen Ausstellungen, Museen unter anderem in Schwerin und Ludwigshafen, in Sammlungen wie der von Mary Bauermeister zu sehen. Das vom Land NRW geförderte Projekt „Mea Donna“ wurde 2012 in Mönchengladbach, 2014 in der St. Thomae Kirche in Soest gezeigt und hat an Aktualität bis heute eher gewonnen, so dass dieses Werk, an dem er gemeinsam mit Manuele Klein arbeitet, bis heute einen Großteil seiner Arbeit ausmacht.

    ​Ich danke für einen intensiven Gesprächsnachmittag!
    Katja Gerlach