Kategorie: Interview

Interviews mit Künstler*innen – Erste Schritte und Who is Who

  • Interview mit den OberstaatsKünstlern – 19.03.2021

    Manuele Klein und Detlev Weigand

    Der Blick öffnet sich an diesem frostig-klaren Nachmittag ins Tal. Das Atelier Oberstaat lädt ein zum Schauen und Entdecken, nicht nur aus den großen Panoramafenstern, sondern auch auf Skulpturen auf Fenster-bänken und Möbeln, Bildern und Fotoarbeiten in unterschiedlichen Formaten an den Wänden, geschichtet und gestapelt in allen Ecken – Zeugnisse einer unbändigen Schaffenskraft, die auch in publikumsfernen Coronazeiten nicht schwinden will.

    ​In diesem Atelier lebt das Paar – und es belebt diesen Ort eigentlich mit regelmäßigen Einladungen zum Offenen Atelier, in dem sich nicht nur Künstlerinnen und Künstler treffen, sondern auch interessante Gäste aus allen gesellschaftlichen Bereichen wie dem NABU Vorträge halten und zu Diskussionen einladen. Kunst nicht nur um der Kunst Willen, sondern immer auch als Anstoß zur Auseinandersetzung mit aktuellen politischen, umweltpolitischen und religiösen Themen – so lässt sich das Selbstverständnis von Detlev Weigand und Manuele Klein zusammenfassen.

    ​Seit dem letzten Jahr ist dieser öffentliche Diskurs unterbrochen – Corona hat das Leben in einen Stand-by-Modus versetzt. Diese erzwungene Ruhe verschafft einerseits Zeit für die intensive Weiterarbeit an Projekten, fordert andererseits beständige Energie und Disziplin, um den alten Schwung zu erhalten.

    Heute bin ich Gast bei den beiden Künstlern – und schon bald steht fest, dass der Auftritt in einem gemeinsamen Interview dem doch unterschiedlichen Schwerpunkt, den sie setzen wollen, nicht gerecht würde.

    So führen die ersten Schritte zunächst in den Hauptgang einer engagierten, vielfach experimentellen und expressiven Kunst, zweigen dann aber in Räume, in denen sich beide unabhängig voneinander präsentieren.


    Manuele Kleins Werk umfasst Malerei, Fotoarbeiten, Skulpturen, Installationen und Performances. Die vielfach ausgezeichnete Künstlerin erhielt zuletzt den Oberbergischen Kulturförderpreis und arbeitet zur Zeit unter anderem an dem vom Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen unterstützten Projekt NUR N(AT)UR NUR. In Hochzeiten war ihr Schaffen (ihrer beider Schaffen!) in 16 Ausstellungen innerhalb eines Jahres in Museen, Kunstvereinen und Galerien im In-und Ausland zu sehen. Neben eigener künstlerischer Arbeit wirkt sie auch als Galeristin und Kuratorin – etwa bei der großen Ausstellung im Kulturbahnhof Kunst anlässlich der 950-Jahrfeier der Stadt Overath, an der sich national und international bekannte Künstler beteiligten. „Wir schenken der Stadt Overath ein Museum“ – das war ein gemeinsames Projekt mit ihrem künstlerischen Partner und Lebensgefährten …

    Detlev Weigand. Der bildende Künstler und Klangperformer wählt Installationen, Assemblagen und Fotoarbeiten, um immer wieder die Frage nach Sinn und Unsinn der menschlichen Existenz zu stellen. Seine Werke sind in vielen Ausstellungen, Museen unter anderem in Schwerin und Ludwigshafen, in Sammlungen wie der von Mary Bauermeister zu sehen. Das vom Land NRW geförderte Projekt „Mea Donna“ wurde 2012 in Mönchengladbach, 2014 in der St. Thomae Kirche in Soest gezeigt und hat an Aktualität bis heute eher gewonnen, so dass dieses Werk, an dem er gemeinsam mit Manuele Klein arbeitet, bis heute einen Großteil seiner Arbeit ausmacht.

    ​Ich danke für einen intensiven Gesprächsnachmittag!
    Katja Gerlach

  • Interview mit Harry Cremer – 15.02.2021

    Harry Cremer war Mitglied des Sprecherrats von EngelsArt und Ideenstifter und Autor des Bühnenstücks zu einer Revue anlässlich Engels‘ 200. Geburtstag am 28.11.2020.

    Wir sprechen heute über dein Projekt, die Pudding Connection, eine Revue zum 200. Geburtstag von Friedrich Engels, die im vergangenen November im Baumwolllager Uraufführung gehabt hätte. Zu den „ersten Schritten“: Was war deine Motivation zu diesem Vorhaben?

    Wir haben heute den ausgefallensten Rosenmontag aller Zeiten – und Zufall oder nicht – auch meine ersten Schritte auf der Bühne hatte ich im Karneval in Trier. Schon als 16-Jähriger wurde ich zum Karnevalssitzungspräsidenten der Kappensitzung gekürt! Die Welt als Panoptikum der verrückten Vorgänge – und ich als ihr kommentierender Begleiter! Eine Clownsausbildung in Portugal hat mir noch mehr mitgegeben, um meine Sprachlust, meinen Witz in der darstellenden Kunst des Theaters zu zeigen. Die Bühne ist für mich ein Ort der Selbsterfahrung und der Interaktion. Kunst und Kultur bedeuten für mich Welterfahrung, die nie satt macht. – Friedrich Engels ist ein Teil meines Lebensspaziergangs. In Trier habe ich auf dem Gymnasium Abitur gemacht, das schon Karl Marx besucht hat. Das war für mich Auslöser für meine Beschäftigung mit Politik und Soziologie. Jetzt lebe ich in Engelskirchen – in dem Ort, an dem Engels so lebendig verankert ist, dass man hier Menschen anlockt, wenn man über ihn auf der Bühne spricht!

    Gab es von Anfang an ein Ziel?

    Friedrich Engels ist ein vielseitig begabter, interessierter und schöpferischer Geist. Zu Unrecht ist er vereinnahmt worden und entweder verdammt oder bejubelt worden für sozialistische Ideen. So wird man ihm nicht gerecht! Ich wollte ihn entstauben, so dass man ihn sehen kann als Menschen, Zeitgenossen, als einen, der alles in Frage stellte, alles neu denken wollte – aber nie eine fertige Gebrauchsanleitung für die Gesellschaft abzuliefern gedachte.

    Was war dein persönlich größtes Vergnügen auf dem Weg?

    Vergnügen und Gewinn sind eins! Engels wollte zeigen, dass alles ständig im Fluss ist, dass Dinge auf den Kopf gestellt gehören – und das habe ich erlebt in der Zusammenarbeit mit unserer 10köpfigen Truppe aus Schaupieler*innen und Musikern! Wir haben ihn gemeinsam erforscht, das Stück entwickelt, getanzt, gerappt, gesungen – sensationelle Erfahrung!

    Kunst braucht Publikum. Gibt es eine Botschaft an das Publikum?

    Schon nach den Lesungen aus den Engels-Briefen gab es Botschaften des Publikums an mich: Überraschung und Begeisterung über so viele neue Facetten eines Menschen, den man zu kennen glaubte! Seine Humanität, sein optimistisches Zukunftsdenken, seine Offenheit, der Glaube an mögliche Veränderung – darüber möchte ich das Publikum aufklären, es verwirren und zum Nachdenken anstiften!

    Welche Begegnung oder welches Ereignis hat dich unterwegs besonders geprägt? Hat es das Ziel verändert?

    Abgesehen von der Corona-Epidemie, die uns die Aufführung zum Geburtstag gekostet hat, gab es so viele positive Eindrücke, dass allein schon die Probenarbeit ein Wert an sich war. Wir haben es erlebt: das Infragestellen als Auftrag! Das eigene Leben muss in seiner Dynamik betrachtet – und mit diesen Möglichkeiten genutzt werden!

    Und wie geht es weiter?

    Auf jeden Fall wollen wir die Revue aufführen – wenn nicht schon vorher, dann doch spätestens im November …

    200 Jahre Engels und Corona!

    Danke für das Gespräch!
    Katja Gerlach

    ​Leider ist Harry Cremer im April 2022 verstorben …